Viele Zahntechnikerinnen und Zahntechniker träumen von der eigenen Selbstständigkeit. Doch wenn es soweit ist, stellt sich eine entscheidende Frage: Baue ich ein Labor von Grund auf neu auf oder übernehme ich ein bestehendes Labor?
Beide Wege haben ihre Vor- und Nachteile – sowohl finanziell als auch organisatorisch. In diesem Artikel erfährst du, welche Herausforderungen dich erwarten und welche Option besser zu dir passt.
Sich ein eigenes Dentallabor aufzubauen bedeutet maximale Freiheit. Du kannst von Anfang an alles genau so gestalten, wie du es möchtest. Doch die Herausforderung ist groß – vor allem finanziell.
Vorteile eines neuen Labors Der größte Vorteil eines neuen Labors liegt in der Möglichkeit, die eigene Vision uneingeschränkt umzusetzen. Du startest bei null und kannst dein Labor genau nach deinen Vorstellungen aufbauen – von der Raumgestaltung bis zur technischen Ausstattung. Dies bedeutet auch, dass du keine Altlasten übernehmen musst; es gibt keine alten Verträge, keine veralteten Strukturen, und du kannst alles von Grund auf modern und effizient gestalten. Du hast die volle Kontrolle über Technik und Digitalisierung, da du selbst entscheidest, mit welcher Software, welchen Maschinen und welchen Prozessen du arbeitest, ohne dich an bestehende Systeme anpassen zu müssen.
Nachteile eines neuen Labors Demgegenüber stehen jedoch erhebliche Nachteile. Das finanzielle Risiko ist hoch, denn ohne bestehenden Kundenstamm hast du anfangs kaum Einnahmen. Du brauchst entweder ein finanzielles Polster oder musst bereit sein, eine Durststrecke zu überstehen. Der Start verläuft zudem langsam; selbst wenn du ein paar Zahnärzte aus deiner vorherigen Tätigkeit mitbringst, dauert der Aufbau eines stabilen Kundenstamms. Ohne Akquise-Know-how kann dies eine echte Herausforderung sein. Des Weiteren trägst du die alleinige Verantwortung für alles, von Buchhaltung und Kundenakquise über Produktion bis hin zur Organisation. In den ersten Jahren machst du alles selbst, und ohne ein gutes Zeitmanagement und unternehmerische Skills kann das schnell überfordernd werden.
Tipp: Einige unserer Kunden haben den cleveren Weg gewählt, ihr Labor schrittweise aufzubauen. Sie haben zunächst als Angestellte weitergearbeitet, parallel ein kleines Labor eingerichtet und sich dann nach und nach die ersten Kunden aufgebaut, bevor sie komplett in die Selbstständigkeit gewechselt sind.
Wer ein Labor übernimmt, startet nicht bei null, sondern kann auf bestehende Strukturen, Mitarbeiter und vor allem einen festen Kundenstamm zurückgreifen. Das klingt erst einmal nach dem einfacheren Weg – bringt aber auch Herausforderungen mit sich.
Vorteile der Übernahme Der offensichtlichste Vorteil einer Übernahme sind die sofortigen Einnahmen. Mit einem bestehenden Kundenstamm kannst du direkt loslegen und hast regelmäßige Umsätze. Du profitierst von einem eingespielten Team und etablierten Prozessen, da das Labor bereits läuft und die Mitarbeiter ihre Abläufe kennen. Dies führt zu einem geringeren Risiko als bei einem kompletten Neustart, da bereits laufende Einnahmen vorhanden sind.
Nachteile der Übernahme Allerdings sind mit einer Übernahme auch Nachteile verbunden. Die Investitionskosten sind oft hoch, häufig im sechsstelligen Bereich, und dazu kommen unter Umständen noch Modernisierungsmaßnahmen. Du musst mit alten Strukturen und Altlasten umgehen; nicht immer sind bestehende Prozesse effizient, die Technik oder Software können veraltet sein, oder es gibt unvorteilhafte Verträge, die du erst nach und nach auflösen kannst. Besonders schwierig kann die Akzeptanz als neuer Chef sein, vor allem wenn du das Labor als ehemaliger Mitarbeiter oder als Sohn/Tochter des alten Inhabers übernimmst. Der Rollenwechsel vom Kollegen zum Chef ist eine Herausforderung, die Fingerspitzengefühl und Geduld erfordert.
Tipp: Wenn du ein Labor übernimmst, solltest du mindestens 6–12 Monate für eine Übergangsphase einplanen. Kunden und Mitarbeiter müssen sich an dich gewöhnen – ein plötzlicher Wechsel kann zu Unruhe führen.
Beide Wege haben ihre Vor- und Nachteile, und die Entscheidung hängt entscheidend davon ab, welcher Typ du bist. Bist du der Unternehmertyp, der gerne Neues aufbaut und Herausforderungen liebt, kann ein eigenes Labor eine spannende Option sein. Bist du eher sicherheitsorientiert und willst möglichst schnell ein stabiles Einkommen haben, könnte eine Übernahme die bessere Wahl sein.
Auch deine finanzielle Ausgangssituation spielt eine Rolle: Ein neuer Aufbau benötigt weniger Startkapital, eine Übernahme erfordert oft eine hohe Investition, bringt aber direkt Einnahmen. Zudem ist deine Erfahrung entscheidend; wer frisch aus der Meisterschule kommt, unterschätzt oft die Herausforderungen der Selbstständigkeit. Je mehr Berufserfahrung du hast, desto besser kannst du abschätzen, was auf dich zukommt.
Wenn du als Sohn oder Tochter in den elterlichen Betrieb einsteigst, gibt es eine zusätzliche Herausforderung: Den Rollenwechsel vom Mitarbeiter zum Chef. Viele machen den Fehler, plötzlich „den Boss zu spielen“, ohne sich die Akzeptanz des Teams zu erarbeiten, was schnell zu Konflikten führen kann. Wichtig ist hier ein klarer Übergangsprozess; plane mit dem bisherigen Inhaber eine Phase von mindestens 6 Monaten, in der ihr schrittweise die Verantwortung übergebt. Zeige Respekt vor dem bestehenden Team – selbst wenn du das Labor „übernimmst“, sind deine Mitarbeiter nicht deine Untergebenen, sondern wertvolle Kollegen, und Führung bedeutet, Vertrauen aufzubauen. Schließlich musst du langsam in die Chefrolle hineinwachsen; wenn du vorher „nur“ Zahntechniker oder Laborleiter warst, erfordert es Zeit und Training, um eine echte Führungspersönlichkeit zu werden.
Tipp: Wer sich in der Rolle des Chefs unsicher fühlt, sollte sich frühzeitig mit dem Thema Mitarbeiterführung beschäftigen. Viele Labore scheitern nicht an der Technik, sondern an der fehlenden Führungskompetenz.
Ob du ein Labor neu aufbaust oder ein bestehendes übernimmst – beides ist möglich. Die Entscheidung hängt davon ab, was besser zu deiner Persönlichkeit, Erfahrung und finanziellen Situation passt. Eine goldene Regel gibt es nicht, aber es gibt viele Fallstricke.
Egal, für welchen Weg du dich entscheidest: Eine klare Strategie, unternehmerisches Wissen und Akquise-Know-how sind entscheidend für deinen Erfolg.
ÜBER DEN AUTOR
Rainer Ehrich
Ich bin Rainer Ehrich, Geschäftsführer der Ehrich Dental Consulting GmbH, und seit fast 50 Jahren in der Dentalbranche tätig. Als gelernter Zahntechniker mit eigener Laborerfahrung kenne ich die Herausforderungen, mit denen Laborinhaber täglich konfrontiert sind – und vor allem, wie sie diese nachhaltig lösen können.
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